revier und lebensraum

Jedes Adlerpaar verfügt über einen bestimmten Abschnitt eines Tales,einer Landschaftskammer oder eines Gebietes,in welchem es das ganze Jahr über sein Auskommen findet und gegen eindringende Artgenossen verteidigt.Kleinere Seitentäler im Wallis werden meistens von einem Paar bewohnt,grössere wie zum Beispiel das Matter- oder Saastal,können mehrere beherbergen.Kleine Seitentäler sind oft relativ stark gekammert und verringern so den direkten Sichtkontakt zu benachbarten Paaren und durchziehenden Einzeladlern (unverpaarte Steinadler die kein eigenes Revier besitzen oder noch nicht geschlechtsreife, jüngere Steinadler). Solche Reviere werden von Nichtbrütern und umherstreifenden Artgenossen auch weniger stark beflogen als es in den grossen oder gar dem Haupttal (Rohnetal) der Fall ist.In stark gegliederten Seitentälern sind die Reviergrenzen zwischen benachbarten Paaren oft relativ klar festgelegt und laufen entlang von Felsgräten,Couloirs und Berggipfeln.Meistens endet es dann auch irgendwo am Talausgang oder am gegenüberliegenden Hang.Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Reviervögel sind eher selten.Reviere die sich zum Beispiel über beide Rohnetalseiten erstrecken,lassen vielmehr Spielraum für die "Übertretung" von Reviergrenzen zu.Dort überschneiden sich diese zum Teil stark (zum Beispiel die Reviere "Sex Carro","Saxon"(ehemals "La Grand Garde"),"Varen" und "Mex" um einige zu nennen).

Der Steinadler grenzt sein Revier gegenüber Eindringlingen unter anderem mit sogenannten "Girlandenflügen" ab,welche von fremden Artgenossen als optische Signalwirkung wahrgenommen werden.

Der Girlandenflug wird durch einen Sturtzflug eingeleitet und durch anschliessendes öffnen der Schwingen und steilem aufsteigen weitergeführt.Dieser Vorgang wird mehrere Male hinteinander fortgesetzt,was dann einer wellenförmigen Flugbahn entspricht.Dieser Flug zeigt sich in diversen Intensitätsstufen und können sich von angedeuteter Form bis hin zu reissenden Flugmanövern steigern.Teilweise fliegt der Adler im Moment des Abkippens (wenn der obere Totpunkt erreicht ist) auf dem Rücken oder dreht sich,um den Girlandenflug in eine andere Richtung zu lenken.

Die Grösse der Steinadlerreviere im Wallis variieren zwischen 15 Km/2 (Revier "La Tine" im Val de Derborence) und 140 Km/2 (Revier "Aletsch").Weitere grosse Reviere sind,"Entremont" (130 Km/2, "Zinal" (96 Km/2),"Mattmark" (92 Km/2),"Sanetsch" (103 Km/2),"Tête Noire" und "Turtmanntal" (beide 100 Km/2).Alle übrigen messen in der Grössenordnung zwischen 45 und 90 Km/2,was einem kantonalen Schnitt von

74 Km/2 entspricht.Sehr grosse Reviere beinhalten oft für die Steinadler nicht nutzbare Flächen (Siedlungen,Talsohle des Rohnetals,grössere vergletscherte Flächen usw.).Bringt man solche in Abzug, erreichen die Nutzbaren Revierteile mehr oder weniger die Grösse anderer Reviere in Talhintergründen oder in kaum erschlossenen Seitentälern,das heisst der kantonale Schnitt schrumpft im Durchschnitt pro Paar auf etwa 57 bis 60 Km/2. Neu entstandene Reviere können auch nur eine kleine Fläche von einigen Km/2 aufweisen,welche dann die neuen Besitzer versuchen nach und nach auszudehnen und von den benachbarten Paaren zu erobern ("Saleina" im Jahr 2011 mit knappen 20 Km/2 und "Chavalard" im Jahr 2016 mit gerade mal 8 Km/2,und "La Tine" mit etwa 15 Km/2 im Jahr 2021,siehe weiter unten).

Im Jahr 2011 besetzte ein noch subadultes Steinadlerpaar erfolgreich das Saleina- Tal,ein kleines Seitental im Val Ferret,und entriss diesen Revierteil dem Adlerpaar "Ferret".Die beiden sehr entschlossenen Adler verteidigten ihr neu erobertes Gebiet erfolgreich gegen die oftmals noch anwesenden,ehemaligen Inhaber, die ständig neue Versuche wagten die "Eindringlinge" zu vertreiben.Luftkämpfe entstanden und konnten über Tage hinweg im Gebiet beobachtet werden.Das Revier "Saleina" entstand und war,mit damals knappen 20 Km/2,das kleinste Revier im Kanton Wallis.Bereits im darauffolgenden Jahr (2012) brütete dieses Adlerpaar zum ersten mal mit Erfolg und brachte Anfangs August einen weiblichen Jungadler zum ausfliegen. Das Adlerpaar "Saleina" dehnte sein Revier (Winter 2013/14) weiter in Richtung Nordosten aus und entriss ihrem östlichen Nachbar,dem Adlerpaar "Champex",einen Revierteil mitsamt Horststandort.Das Revier wuchs nun auf 47 Km/2 an (siehe Karte unten).Einem sehr wahrscheinlich daraus resultierenden Revierkampf fiel das Weibchen "Saleina" dann im Juli 2014 zum Opfer. Ich fand dieses Weibchen,mit Spuren einer intraspezifischen und tödlich endenden Auseinandersetztung in Horstnähe,in welchem der Jungadler wohl aufgrund der seit Tagen fehlenden Mutter,verhungert war.Das Männchen hatte aus unbekannten Gründen,die Fütterung des Jungadlers im Horst nicht fortgesetzt.Diese Geschichte zeigt auf,wie Reviere entstehen können,andere an Grösse verlieren und wie es zu einem Partnerwechsel kommen kann.

Im Frühjahr 2016 entstand oberhalb von Fully ein weiteres Adlerpaar ("Chavalard"),welches das sehr kleine Revier (im Jahr 2018 um 9 Km/2),erfolgreich verteidigt und die ehemaligen Inhaber mit Girlandenflügen und Angriffen fernhielt.Langsam dehnten die beiden Steinadler ihre Flüge immer weiter in die hinteren Geländeabschnitte aus und eroberten immer grössere Revierteile,die vorallem zum Adlerpaar "Haut de Cry" gehört hatten und folgedessen eine Revierverkleinerung in Kauf nehmen mussten.In diesem wohl alpenweit einzigartigen "Minirevier" hatte dieses Adlerpaar bei ihrem ersten Brutversuch bereits im Jahr 2017 auf anhieb einen männlichen Jungadler zum ausfliegen gebracht.

Im Spätwinter 2019 fiel das Adlermännchen "Haut de Cry" aus und wurde durch ein neues,subadultes Individuum ersetzt.Dieser Wechsel entging den benachbarten "Chavalard"-Adlern nicht,nutzten diesen Zwischenfall geschickt aus und dehnten im Frühjahr und Sommer des darauffolgenden Jahres ihr Revier weiter in Richtung Nordosten aus.Das Revier "Haut de Cry" ist somit weiter,auf mittlerweile 37 Km/2  geschrumpft,die Fläche vom Revier "Chavalard" hingegen stieg auf gute 29 Km/2 an.Mit der Entstehung eines weiteren sehr kleinen Reviers im Winter 2019/20 ("La Tine") am Taleingang von Derborence,verloren die "Haut de Cry"- Adler einen weiteren Teil ihres Lebensraumes,welcher gegenwärtig nur noch eine Fläche von 28 Km/2 abdeckt.Das Adlerpaar "Derborence" ist davon auch betroffen und musste gezwungenermassen den südlichsten Teil ihres Reviers aufgeben.

 

Blick von einer,von den Steinadlern als Warte oft aufgesuchten Stelle auf 2620 m.ü.M.Typischerweise lässt sich von solchen Warten ein Grossteil des Reviers und meistens auch die Horstgegend überblicken. Weiter entfernte Revierteile sind von den sehr mobilen Adlern in relativ kurzer Zeit zu erreichen.Revier "Haut de Cry",Chamoson/Leytron.

 

Das Foto zeigt den Ausschnitt aus einem typischen Steinadlerlebensraum.Auf dem Grat trafen ehemals die zwei Reviere "Haut de Cry" und "La Grand Garde" (aktuell "Saxon" genannt) aufeinander.Das Adlerpaar "Chavalard" erkannte das Potenzial dieser Gegend und verdrängte die beiden ehemaligen Inhaber erfolgreich.

Mittlerweile wird diese Gegend vom Adlerpaar "Saxon" nicht mehr beflogen.Das Paar "Haut de Cry" war 2017 gelegentlich auf diesen Anhöhen noch anzutreffen,hat aber durch den Anwesenheitsdruck des Paars "Chavalard" seine Reviergrenze weiter nach Nordosten verlagert.Einige Warten (z.B.die kleine Spitze oben links im Bild),wurden vor dem Erscheinen des Paars "Chavalard" von beiden ehemaligen Besitzern als Ruhe- und Beobachtungsplatz genutzt,was Federfunde immer wieder bestätigt hatten.

 

Darstellung der aktuellen Reviergrenzen von 3 Steinadlerpaaren aus dem Zentralwallis,basierend auf jahrelangen Beobachtungen individuell angesprochener Revieradler.Federfunde können ebenfalls nützliche Hinweise auf bestimmte Individuuen und ihren Aufenthaltsorten liefern.Bei einem Partnerwechsel (z.B.Ausfall eines Partners durch Tod),bleiben die Reviergrenzen oft unverändert.

 

Auf der Karte ist ersichtlich in welche Richtung das Adlerpaar "Saleina" ihr Revier im Jahr 2014 ausgedehnt hat.In diesem neuen Revierteil (Combe d'Orny) befindet sich ebenfalls ein Horst,welcher bis dahin zum Paar "Champex" gehört hatte.

 

Auf dieser Karte (Stand April 2016,bevor sich das Adlerpaar "Chavalard" endgültig behaupten konnte) wird deutlich,wie sich vorallem entlang des Haupttales,die Reviere relativ stark überschneiden können.In den meisten Fällen finden solche "Grenzüberflüge" während der momentanen Abwesenheit der Revierinhaber und im Winterhalbjahr statt.Am eindrücklichsten ist die Überschneidung des Reviers "Sex Carro" und "La Grand Garde" (aktuell "Saxon" genannt) zwischen Fully und Saillon.Umso eindrücklicher ist es zu sehen,wie sich das im Frühjahr 2016 entstandene Adlerpaar "Chavalard",in einem der am dichtesten beflogenen Gegenden und an den Grenzen von 3 aufeinandertreffenden Steinadlerrevieren mit Erfolg niedergelassen hat.Revieradler verlassen ihr Revier des öfteren um relativ weiter entfernte Gebiete zu besuchen und durchfliegen demnach andere Reviere (zum Teil sogar 2 oder mehr benachbarte Reviere).Diese "Eskapaden" sind nur kurz und dauern in der Regel zwischen ein paar Minuten bis hin zu mehreren Stunden.Diverse Beobachtungen meinerseits weisen darauf hin,dass der eindringende oder durchfliegende "Nachbar" gegenüber dem herannahenden Revierinhaber eine Art Demutshaltung zeigt (aggressionshemmende Flugweise),indem er im Flug die Ständer hängen lässt und/oder oder Kot abgibt.

 

Auf der obigen Karte wird ersichtlich wie sich das Revier "Haut de Cry" im Verlaufe der Zeit und der dichter werdenden Adlerpopulation systematisch verkleinert hat.Die schwarze Zone stellt die Reviergrenzen bis 1985 dar (ca.160 Km/2).Damals etablierte sich das Adlerpaar "La Grand Garde" (aktuell "Saxon" genannt) in der Region und beanspruchte den südlichen Revierteil für sich,die "Haut de Cry"-Adler zogen sich in die gelbe,59 Km/2 grosse Zone zurück,welche bis zum auftreten des Adlerpaares "Chavalard" im Jahr 2016 ihre Gültigkeit hatte.Das Adlerpaar "Haut de Cry" gibt den südwestlichen Revierteil auf und zieht sich in die orange Fläche zurück.Wie bereits weiter oben beschrieben,dehnt das Adlerpaar "Chavalard" sein Revier zwischen 2016 und 2019 mit Nachdruck in Richtung Norden aus,der östliche Teil wird im Winter 2019/20 von einem ebenfalls entschlossenen,neuen Adlerpaar ("La Tine") besetzt.Das Revier "Haut de Cry" befliegt gegenwärtig die rote Zone,welche im Vergleich zum Jahr 2016 nur noch etwa die halbe Fläche,sprich 28 Km/2 aufweist.