Waffen und sinnesorgane

Beim betrachten eines Steinadlers fallen sofort der relativ mächtige gebogene Schnabel,die ausdrucksstarke,nach vorne gerichtete Augenpartie und die sehr starken Fänge (Krallen und Zehen) auf.In Kombination mit seinen erstaunlichen Flugfertigkeiten,seiner Geschwindigkeit,Kraft und nicht zuletzt seiner Fähigkeit der sehr raschen Situationsanalyse bei der Jagd,machen ihn zu einem,in seinem Lebensraum äusserst angepassten und effizienten,wenn auch nicht immer erfolgreichen Jäger.

Der Steinadler ist sehr lernfähig und prägt sich sämtliche Details bezüglich Landschaft und Relief in seinem Revier ein.Er kennt sämtliche Vorkommen und Aufenthaltsorte des Wildes,Aufwindsituationen und wetterbedingte Eigenschaften in seinem Lebensraum.Selbst bei dichterem Nebel und/oder Regen fliegt er seinen Horst oder einen anderen Ruheplatz (Baum,Felskopf,Grat) gezielt und treffsicher an.Auch umherstreifende Einzeladler sind in der Lage sich verschiedene Details der von ihnen bereits beflogenen Gebiete zu merken.Ich konnte des öfteren beobachten wie fremde,durchziehende Einzeladler sehr gezielt Stellen mit Aufwind anflogen und sofort in die Höhe gekreist waren um ihren Weg fortzusetzen,was darauf hinweist,das die betreffenden Individuuen schon in der Gegend waren und sich die örtlichen Gegebenheiten wie Thermikschläuche und Hangaufwinde merken konnten.

Der gebogene Schnabel kommt durch die starke Verlängerung des Oberschnabels zustande.Er besitzt relativ scharfe Ränder und überschneidet sich mit dem deutlich kürzeren Unterschnabel.In erster Linie dient der Schnabel zur Zerteilung und Zerkleinerung der Nahrung.

Die Spitze ist immer mehr oder weniger schwarzgrau.Helle Partien können auf einen Mangel an Vitaminen hinweisen.Die Hornspitze ist aber auch einem natürlichen Erneuerungsprozess unterstellt,der Schnabel regeneriert sich kontinuierlich von innen (dem Knochenfortsatz) nach aussen,indem er sehr dünne Schichten abträgt,was dann vorübergehend nach hellen Zonen ausieht.

Die sogenannte Wachshaut ist gelb,nimmt aber in ihrer Intensität mit steigendem Alter ab,so dass sie bei sehr alten Exemplaren teilweise nur noch fahl graugelb erscheint.

Bei weiblichen Steinadlern zeigt sich der Schnabel proportional kräftiger und mächtiger als bei den Männchen.Zudem verläuft der obere Rand etwas paraleller zum Unterrand,was ihn dann insgesamt "klobiger" wirken lässt,was oftmals (mit viel Übung) selbst im Flug zu erkennen ist.

Foto: Netzfund

 

Bei diesem Schädel eines adulten Steinadlerweibchens zeigt sich,dass die Augenhöhlen einen beachtlichen Anteil des Schädels beanspruchen.Das Sehvermögen des Steinadlers ist sprichwörtlich und gehört wohl zum leistungsfähigsten was mit einem "Auge" erreicht werden kann.Aus diversen Facharbeiten und Berechnungen ist zu entnehmen dass die Sehschärfe des Steinadlers dem 8-fachen der eines gesunden Menschen mit voller Sehkraft entspricht und Farben erheblich besser aufzulösen vermag.Ein Schnee- oder Birkhuhn z.B. kann bei der kleinsten Bewegung auf mehrere hundert Meter entdeckt werden.Einem sitzenden Steinadler etgehen in einem Radius von Schätzungsweise 200 m selbst kleinste Bewegungen nicht.Grundsätzlich basiert das Verhalten eines Steinadler auf dessen was er sieht.

 

Linker Fang eines alten Steinadlerweibchens (Totfund).Bei den Allermeisten weiblichen Steinadlern misst die Daumenkralle (am Aussenbogen gemessen) im Schnitt um 70 mm,die Kralle der Innenzehe um 55 bis 60 mm.Dieses Weibchen besass einen ausserordentlich kräftigen Fang mit einer 70 mm langen Innen- und einer 77 mm starken Daumenkralle.

Die Fänge sind die eigentlichen Waffen des Steinadlers.Damit packt und tötet er seine Beute mit schraubstockartigem Griff,aus welchem es kein entkommen mehr gibt wenn der Adler ihn nicht von sich aus,aus welchem Grund auch immer,löst.

Ich war vor längerer Zeit bei der Auswilderung eines verletzt gefundenen und wieder gesund gepflegten Steinadlerweibchens dabei.Der Adler hatte sich die Wolldecke in der er eingewickelt war gekrallt.Es wurde zu viert mit ganzer Kraft versucht (jeder eine Zehe haltend) den Griff aus der Decke zu lösen,was nur dazu geführt hatte dass der Adler ohne Mühe noch weiter zugedrückt hatte.Die Decke wurde um den Fang herum rausgeschnitten und das Adlerweibchen flog im Anschluss mit diesem Fetzen ab.

 

Linker Fang eines immaturen Steinadlermännchens (Totfund).Die Fänge der männlichen Individuuen sind schwächer und stehen,beim direkten Vergleich zu den Weibchen,in einem leicht kleineren Verhältniss zur übrigen Körpergrösse.

 

Hinterzehe (Daumen) und Daumenkralle eines subadulten Steinadlerweibchens.Die Kralle misst (am Aussenbogen gemessen) 75 mm.

 

Die Zehen (distales Zehenglied) und der Schnabel des Steinadlers bestehen in ihrer Grundstruktur aus Knochen und sind Teile des Skeletts.Der hohle und über diesem Knochenfortsatz wachsende und sichtbare Teil hingegen,also die Krallen und die vordere Schnabelhälfte,bestehen aus Horn (Strukturprotein Keratin). Beide erneuern sich fortlaufend von innen heraus und gleichen die natürliche Abnutzung aus.In bestimmten Zeitabständen bilden sich unter der aktuellen Hornstruktur neue Schichten und stossen die älteren ab indem sich diese schuppenartig ablösen,was an den Krallen am besten zu beobachten ist.Auf dem Foto oben ist links die Daumenkralle eines weiblichen Steinadlers zu sehen welche sich exakt in diesem Prozess befand,rechts die Daumenkralle eines jüngeren Steinadlermännchens nach der Erneuerungsphase (beides Totfunde).

 

Das Foto zeigt den Knochenfortsatz (äusserstes Zehenglied) und die dazu gehörende Kralle aus Hornmaterial.Am knöchernen,höckerartigen Gebilde auf der Unterseite des Knochenfortsatzes sind sehr starke Sehnen befestigt,welche es dem Adler ermöglichen die Fänge mit ungeheurem Druck faustartig zu schliessen.Die obige Daumenkralle gehörte zu einem jüngeren adulten Steinadlerweibchen,welches bei einer territorialen Auseinandersetzung ums Leben kam.

Länge der Kralle (am Aussenbogen gemessen) 68 mm.

 

Linker Fang eines sehr alten Steinadlerweibchens.An diesen Krallen ist der beschriebene Erneuerungsprozess gut sichtbar.Durch das hohe Alter und den möglichen Erkrankungen des Adlers wurde dieser aber,vorallem an der Innenkralle,sichtlich unterdrückt.Wie bereits weiter oben erwähnt,ist für Steinadler im fortgeschrittenen Alter die blasse Färbung der Haut an den Zehen und der Wachshaut am Schnabel typisch.Die rötliche Verfärbung der Zehen weist auf eine altersbedingte und schmerzhafte Erkrankung der Gelenke hin (Gicht,Entzündungen).Länge der Daumenkralle (am Aussenbogen gemessen) 80 mm.

 

Rechter Fang mit fehlender Aussenkralle eines relativ alten Steinadlerweibchens.Vor längerer Zeit verlor dieser Steinadler,aus welchem Grund auch immer,die Aussenkralle samt Zehenglied.Vermutlich brach diese bei der Jagd ab.Die Verletzung verheilte und die Hornsubstanz verschloss den Bruch.Durch das fehlen des Knochenfortsatzes ist ein nachwachsen einer vollständigen Kralle nicht mehr möglich.Länge der Daumenkralle (am Aussenbogen gemessen) 70 mm.